Quelle: Spiegel Nr. 48 - 21.11.2020 - Sarah Heidi Engel
Link zu dem SPIEGEL-Artikel:
https://www.spiegel.de/gesundheit/schwangerschaft/gewalt-im-kreisssaal-ich-wollte-nur-noch-sterben
Zitate aus dem Artikel:
Ihre Anwältin Sabrina Diehl aus dem nordrhein-westfälischen Herne berät seit Jahren Frauen, die traumatische Geburten erlebt haben. Oft geht es um Kaiserschnitte ohne ausreichende Narkose, Dammschnitte oder den sogenannten Kristeller- Handgriff. Dabei soll per Druck auf den Bauch die Geburt beschleunigt werden. Die Gerichtsverfahren seien oft hoch emotional, die Erfolgschancen hingen maßgeblich von Zeugenaussagen und Gutachten ab, sagt Diehl. Sie frage ihre Mandantinnen immer, ob sie die Nerven für einen langen Prozess hätten, ob sie wüssten, worauf sie sich einließen. Die Betroffenen stehen in den Zivilverfahren in der Beweispflicht. Sie müssen belegen, dass ihnen unter der Geburt durch fehlerhaftes Verhalten ein Schaden entstanden ist. Sollte im Laufe des Prozesses ein Sachverständiger zu dem Ergebnis kommen, dass ein Eingriff medizinisch notwendig und korrekt ausgeführt war, sei das Vorgehen zulässig gewesen, auch wenn es als gewaltsam empfunden worden sei, sagt Diehl.
Das gynäkologisch-geburtshilfliche Gutachten eines Sachverständigen kommt jedoch zu dem Schluss, dass keine Indikation für einen Notkaiserschnitt vorlag. Daher hätte das OP-Team weiter abwarten müssen, ob die Anästhesie wirkt, sagt Anwältin Diehl. Zudem stünde die Frage im Raum, ob ein Kältetest durchgeführt wurde, um die Betäubung zu überprüfen. Auch eine Vollnarkose wäre eine Option gewesen, sagt Anwältin Diehl. Das entsprechende Gutachten zu dieser Frage steht noch aus. Die Juristin rät allen betroffenen Frauen, so früh und so viel zu dokumentieren wie möglich. Dazu gehören Fotos der Geburtsverletzungen, ein Gedächtnisprotokoll, dazu gehört, sich die Namen potenzieller Zeugen zu notieren. Kliniken reagierten höchst unterschiedlich auf die Vorwürfe, sagt die Fachanwältin für Medizinrecht. »Manche geben offen zu, wenn ihnen ein Fehler passiert ist.« Andere Krankenhäuser erweckten den Eindruck, dass sie aus Streitfällen lernten, wie sie künftig ihre Geburtsberichte verfassen müssten, damit ihnen juristisch nichts passieren könne, so Diehl.