Nach knapp 40 Jahren als Dachdecker auf dem Bau hatte der Wittener diverse Beschwerden, zum Beispiel in der Schulter, weshalb er sich schon länger in Behandlung des Orthopäden aus Witten befand. Auch sein Knie bereitete ihm schon einige Zeit Probleme und starke Schmerzen.
2018 riet ihm sein Arzt, sich einer Knie-OP zu unterziehen, da die konservativen Möglichkeiten erschöpft sein.
Auch der Wittener sah dies so, weshalb er in die Operation einwilligte. Doch anstelle der ersehnten Besserung wurde alles nur schlimmer. Der Mann hatte enorme Schmerzen und sein operiertes Knie war heftig angeschwollen. Die postoperative Kontrolle führte der Orthopäde dann ambulant durch. Obwohl sein Patient über die Schmerzen klagte, hatte er den Eindruck, der Arzt nehme dies nicht wirklich ernst. Zumindest unternahm er nichts weiter.
Etwa vier Monate nach der OP stellte sich der Mann in einem Krankenhaus vor. Die Ärzte stellten schnell einen „Low-grade-Infekt“ (sog. Protheseninfektion durch bestimmte Erreger) mit entsprechend ausgebliebener Heilung des Knies fest. Zudem zeigte sich eine enorme Achsenabweichung sowie eine Kniestreckhemmung. Drei weitere schwerwiegende Operationen mit Austausch von Platten und Schrauben waren für den Patienten unumgänglich. Immer in der Hoffnung auf Besserung seines Gesundheitszustandes. Der Orthopäde hatte die Komplikationen im Rahmen seiner Nachbehandlung nicht erkannt, genauso wenig wie die Infektion im Knie.
Das nicht nur die gewählte OP-Methode, sondern auch die Durchführung und Nachbehandlung zu seinem verpfuschten Knie führte, da ist sich der geschädigte Patient sicher. Ein unabhängiger Gutachter kam bereits ebenfalls zu dem Schluss, es liege ein Behandlungsfehler vor.
Ganze zwei Jahre war der Dachdecker arbeitsunfähig. Zeitweise sogar auf einen Rollstuhl, dann einen Rollator und danach auf Gehhilfen angewiesen. Bis heute hat er immer noch Schmerzen in seinem Knie. Auch die Fehlstellung konnte nicht mehr adäquat korrigiert werden. Auch psychisch hat der Mann glitten. In den zwei Jahren zu Hause war er überwiegend isoliert, konnte sich kaum selbstständig bewegen und lange Zeit auch kein Auto fahren. All dies hat auch zu einer Wesensveränderung des Mannes beigetragen und ihn depressiv verstimmt. Obwohl ihm inzwischen ein Grad der Behinderung von 60% zugesprochen wurde, musste er wieder zurück aufs Dach – und das mit fast 60 Jahren und einem völlig instabilen Knie. Sicher würde ihm eine finanzielle Entschädigung zumindest den wirtschaftlichen Druck nehmen. Bislang war der Arzt aber nicht bereit, der Schmerzensgeldforderung nachzukommen, sodass es vermutlich zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen wird.
Nachtrag:
Rechtsanwältin Sabrina Diehl und ihr Team der Fachanwaltskanzlei für Medizinrecht haben einen außergerichtlichen Vergleich über ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro erwirkt.