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Das Magazin aus Ihrer Apotheke Ausgabe 22 aus 2016 - Krankenhäuser: Haftungsrisiko Sturz

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Was ist, wenn Sie während eines Krankenhausaufenthaltes stürzen und sich verletzen? Wer ist hier verantwortlich? Die Fachanwältin für Medizinrecht Sabrina Diehl klärt auf.

Die Obhutspflicht

Sie kennen sicherlich den Hinweis "im Haushalt passieren die meisten Unfälle" und haben dies eventuell selbst schon hautnah erleben müssen. Man stürzt eine Leiter herunter, rutscht auf der Treppe aus oder fällt beim Spielen mit den Kindern. Oftmals war man selbst mit den Gedanken ganz woanders und hat nicht genug auf die eigene Sicherheit geachtet. Doch was ist, wenn Sie nicht zu Hause, sondern in einem Krankenhaus stürzen und sich hierbei Verletzungen zuziehen? Sind Sie auch hier für Ihre Sicherheit allein verantwortlich oder ist es vielleicht doch die Klinik? Schließlich ist vor allem die gesundheitliche Situation im Krankenhaus eine gänzlich andere als zu Hause. Haben Sie als Patient einen Anspruch darauf, rund um die Uhr behütet zu werden? Oder sind Sie gar selbst für sich verantwortlich? Ausschlaggebend für die Beantwortung dieser Frage ist, ob das Krankenhaus eine Obhutspflicht Ihnen gegenüber hat. Es haftet, wenn es diese Pflicht verletzt. Obhutspflicht bedeutet, dass unter Berücksichtigung aller relevanter und vorhersehbarer Umstände der Patient so zu sichern ist, dass er nicht zu Schaden kommt.

Individuelle Sicherheitsvorkehrungen

Neben allgemeingeltenden Vorkehrungen gibt es jedoch Sicherungsvorkehrungen, die ein Krankenhaus treffen muss, wenn es individuelle Risikofaktoren bei einem Patienten erkennt beziehungsweise erkennen muss. Daher muss bei jedem Patienten das individuelle Sturzrisiko eingeschätzt werden. Ist der Patient beispielsweise 25 Jahre jung, sportlich und zeigt bislang auch aufgrund seiner Erkrankung keine Sturzneigung, so müssen keine besonderen individuellen Vorkehrungsmaßnahmen getroffen werden. Handelt es sich hingegen um einen 85-jährigen Parkinsonpatienten, der bereits mehrfach in der Nacht aus dem Bett gefallen ist, so hat das Krankenhaus aktiv Sorge dafür zu tragen, dass der Patient in seiner Obhut nicht stürzt.

Grob müssen folgende Kriterien beachtet werden
→ die Bedürftigkeit von Hilfsmitteln (z.B. Rollator)
→ der Allgemeinzustand des Patienten
→ die Begebenheiten der Sturzstelle
→ die Anwesenheit von Personal
→ die Anordnungen des Arztes

Schwerwiegende Folgen bei Missachtung

Es gibt Fälle, in denen das Personal die Situation falsch einschätzt: So etwa bei der Ehefrau unseres Mandanten, Herrn G.: Die 56-jährige litt unter einer Erkrankung der Hauptschlagadern, Bluthochdruck und einer chronischen Lungenkrankheit. Als sie plötzlich hohes Fieber bekam, rief Herr G. umgehend den Notarzt. Im Krankenhaus dauerte die Aufnahme sehr lange, da die 56-jährige stark zitterte und nicht ansprechbar war.

Über Nacht verbesserte sich der Zustand der 56-jährigen insofern, als dass sie am nächsten Morgen etwas Nahrung zu sich nehmen konnte. Etwas verwirrt wollte sie sogar aufstehen, doch ihr Ehemann konnte sie davon abhalten. Dies war auch richtig, denn wie sich herausstellte, litt die 56-jährige nunmehr unter starken motorischen Ausfällen aufgrund neurologischer Probleme. Immer wieder fielen ihr Gegenstände aus den Händen und sie war körperlich sehr schwach. Der Ehemann führte daraufhin ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt, der die drastische Warnung aussprach, dass er "auf das Schlimmste vorbereitet" sein müsse und seine Ehefrau eventuell in ein Pflegeheim kommen würde. Trotz dieser Warnung verhielt sich aber das Personal im Haus nicht entsprechend. Am folgenden Tag wurde die 56-jährige zur Toilette gebracht und dort etwa eine halbe Stunde alleingelassen, um sich selbst zu waschen. Mit Blick auf die neurologische Erkrankung war sie hierzu aber nicht in der Lage. Später wurde sie mit einer stark blutenden Kopfwunde auf dem Boden liegend vorgefunden. Wie lange sie dort lag, wusste niemand. Die Wunde wurde vernäht und erst mit zeitlicher Verzögerung wurde sie einem Kardiologen vorgestellt, der sofort eine CT-Untersuchung des Kopfes veranlasste. Die innere Blutung wurde bestätigt und war bereits derart stark vorangeschritten, dass die Augen der Frau aus den Augenhöhlen hervortraten. Sie musste notoperiert werden. Hierbei wurde die Schädeldecke entfernt, um den Druck vom Hirn zu nehmen und ein Absterben weiterer Areale zu verhindern. Die Schädeldecke wurde in den Bauch verpflanzt, damit der Knochen nicht abstirbt und später wieder eingepflanzt hätte werden können. Doch die Operation kam zu spät - nach dem vierstündigen Eingriff verstarb die 56-jährige.

Vermeidbare Stürze

Wir vertreten die Ansicht, dass dieser Sturz vermeidbar war. Die Frau war aufs Hilfsmittel angewiesen, zeigte neurologische Ausfälle und auch der Allgemeinzustand war reduziert. Dies zusammengenommen führte zu gravierenden Gleichgewichtsstörungen. Zudem wurde sie über einen Zeitraum von rund 30 Minuten gänzlich unbeaufsichtigt gelassen, obwohl der Arzt selbst den Ehemann ausdrücklich auf die Schwerstpflegebedürftigkeit hingewiesen hatte. Hinzu kommt, dass die Örtlichkeit gefährlich war, da zum einen der Boden aufgrund von Feuchtigkeit glatt war und sie sich zum anderen bei einem Sturz an der Toilette oder am Waschbecken den Kopf aufschlagen konnte. So hätte die Patientin keinesfalls alleingelassen werden dürfen. Dieser Sturz fällt allen in den Verantwortungsbereich der Klinik.

Einzelfallentscheidungen

Häufig sind die Fälle jedoch nicht so eindeutig wie im vorgenannten Fall. Es gilt, jeden Einzelfall zu bewerten. Wir möchten darauf hinweisen, dass nicht jeder Sturz in den Verantwortungsbereich einer Klinik fällt oder fallen kann, denn es ist nicht möglich jedem Patienten 24 Stunden eine Pflegekraft an die Seite zu stellen. Stürzen Sie etwa in der Kantine, ohne dass zuvor eine besondere Sturztendenz erkennbar war, so verwirklicht sich allgemeine Lebensrisiko. Es besteht somit kein Unterschied zu einem häuslichen Sturz. Stürzen Sie jedoch etwa beim Umbetten zu Boden, so haftet die Klinik. Hier geht die Rechtssprechung davon aus, dass Stürze m Zusammenhang mit einer pflegerischen oder ärztlichen Maßnahme stets vermeidbar sind. Im Rahmen derartiger Handlungen haben die Kliniken Sorge dafür zu tragen, dass sämtliche Vorkehrungen getroffen werden, damit sie als Patient nicht zu Schaden kommen. Personalmangel entschuldigt die Kliniken nicht.

Im Gerichtsverfahren

In einem etwaigen Gerichtsverfahren muss somit der Patient zunächst darstellen, dass die Klinik eine Obhutspflicht traf, sie diese verletzte und der Patient deswegen zu Sturz kam. Im oben genannten Beispiel halten wie diese Voraussetzungen für gegeben. Die Klinik müsste jetzt somit beweisen, dass die Patientin selbst bei unterstellten Sicherheitsvorkehrungen ebenfalls gestürzt wäre- Das wird sich kaum plausibel darstellen lassen.

Durchsetzung von Schadenersatz und Schmerzensgeld

Gerade dann, wenn sich Stürze unmittelbar nach einer pflegerischen Maßnahme ereignen, gilt es, sämtliche Aspekte zu bewerten. Daher sollte sich im Fall des Falles der verletzte Patient von einem Fachanwalt für Medizinrecht beraten lassen. Der Teufel steckt oft im Detail und ohne tiefgehende Kenntnisse der medizinrechtlichen Gegebenheiten ist es kaum möglich, die Chancen und Risiken auf die Erlangung von Schadensersatz und Schmerzensgeld abzuschätzen und diese durchzusetzen.


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