Quelle: "Ruhr Nachrichten" 29.04.24 - Werner von Braunschweig
Patient klagt nach OP: „Hätte mein Bein nicht verlieren müssen"
Dortmund. Nach einer Beinamputation in Dortmund klagt ein Krebspatient auf Schmerzensgeld.Die Vorwürfe richten sich gegen eine andere Klinik. Es geht um „grobe Fehler"
Albtraum für einen krebskranken Familienvater: Im März 2020 musste dem 35-Jährigen in einem Dortmunder Krankenhaus das rechte Bein amputiert werden. Jetzt fordert er am Bochumer Landgericht 300.000 euro Schmerzensgeld und mehr. Verklagt ist eine Klinik in Herne – den Ärzten dort sollen zuvor diverse Behandlungsfehler unterlaufen sein. Der Kläger, ein Programmierer, ist fest davon überzeugt: „Ich hätte mein Bein nicht verlieren müssen.“ Bevor er im März 2020 zum Einholen einer Zweitmeinung in das Krankenhaus in der Dortmunder Innenstadt gewechselt war, hatte der Familienvater in Herne eine ambulante Chemo- und Strahlentherapie durchlaufen – mit einem gefühl katastrophalen Verlauf. Es war binnen weniger Tage zu viel massiven Durchblutungsstörung und Schmerzen im rechten Bein gekommen, die sich letztlich auch durch zwei Operationen nicht lindern ließen.
Krankenkasse zahlt „teure" Prothese nicht
Im Dortmunder Krankenhaus wurde der dramatische Befund bestätigt. „Folgerichtig", so ein Gutachter wurden dort auch medizinische Maßnahmen ergriffen, die zuvor in Herne ausgeblieben waren. „Aber zu diesem Zeitpunkt war es bereits zu spät", legte sich der Sachverständige fest. Eine Amputation des rechten Beines ließ sich nicht mehr verhindern. Heute ist der Mann auf eine Beinprothese angewiesen. Diejenige, die er zurzeit hat, funktioniert mehr schlecht als recht. „Der Akku geht schnell leer, außerdem ist die Prothese nicht wasserdicht" ärgerte sich der Kläger. Die Prothese, die er gerne hätte, die bezahlt aber seine Krankenkasse nicht. Angeblich geht es um Kosten von bis zu 100.000 Euro bei einer maximalen Haltbarkeit von zehn Jahren. Auch vier Jahre nach der Amputation leidet der 35-Jährige heute nach eigenen Angaben immer noch unter schlimmen Phantomschmerzen. „Ab und zu habe ich das Gefühl eines Wadenkrampfes Dann liege ich da, schaue nach unten - aber da ist nichts mehr", berichtete er. Trotz vieler Rückschläge kampfte sich der Mann letztlich aber zurück in einen Vollzeit-Job, ließ sein Auto komplett auf seine Bedürfnisse umbauen. „Doch all das kostet viel Geld. Und die Umbaukosten haben wir bislang noch nicht einmal eingeklagt", sagte seine Anwältin Sabrina Diehl. Die jetzige Schmerzensgeldklage sei nur ein Anfang. Die Klage für alle Folgekosten Absicherung ist wichtig De Anwältin Diehl.
„Kalte rechte untere Extremität"
Nach der Krebsdiagnose hatte der Vater ab März 2020 in der Herner Klinik eine Krebstherapie begonnen. Schon nach wenigen Tagen sollen Komplikationen aufgetreten sein, der Familienvater soll Ärzten gegenüber über Schmerzen im rechten Unterschenkel geklagt haben. Doch es kam ihm vor, als nehme man ihn nicht ernst. Nach mehreren, stundelangen Aufenthalten in der Notaufnahme diagnostizierte die Gefäßchirurgie der Herner Klinik bei dem Kläger nur fünf Tage später „eine kalte rechte untere Extremität". Ein Puls war in dem Bein angeblich schon nicht mehr tastbar. Wichtige Gefäße waren offenbar verschlossen. Kurz danach folgte der Wechsel in das Dortmunder Krankenhaus. Zwei medizinische Sachverständige legten sich jetzt im Prozess vor der 6. Zivilkammer in Bochum fest, dass den Herner Ärzten zweifellos gleich mehrere „grobe Behandlungsfehler" unterlaufen seien. Gängige medizinische Standards seien nicht angewendet worden. Obendrein sei der Patient nicht ausreichend informiert worden, hieß es. Die Kritik des Sachverstän-diger-Duos konzentrierte sich auf die Nichtgabe von gerin-nungshemmenden Medikamenten spätestens mit Beginn der Chemotherapie. Es sei davon auszugehen, dass allein durch eine bloße Prophylaxe mit „ASS 100" oder Heparin das Thromboserisiko „signifikant gesunken" wäre, hieß es. Die Erfolgschancen für ein Erhalten des rechten Beines hätte jedenfalls mehr als 50 Prozent betragen. Obendrein, so einer der Experten, sei aber auch die Ope-rationsstrategie in der Herner Klinik als „unverständlich", „unvollständig" und „inkonsequent" zu beanstanden. Dringend erforderliche, operative Maßnahmen am Unterschenkel seien trotz hochgradiger Verdachtsmomente schlichtweg ausgeblieben. Das Vorgehen ist mir völlig schleierhaft", kritisierte der Gutachter. Aufseiten der beklagten Herner Klinik ist man der Auffassung, die Behandlung des Patienten sei fachgerecht erfolgt. Von Behandlungsfehlern könne überhaupt keine Rede sein. Die 6. Zivilkammer will nun am 15. Mai ein Urteil verkünden.