Quelle: "Recklinghäuser Zeitung" 09.06.25 - Werner von Braunschweig
Tod nach Darm-OP: Familie Peukert kämpft um Aufklärung
RECKLINGHAUSEN/HERTEN. Joachim Peukert stirbt nach einer Operation in einem Hertener Hospital. Ein Gutachten belegt Ärztefehler - doch es wird nicht weiter ermittelt. Die Familie leidet
Auch knapp fünf jahre nach dem Klinik-Tod ihres Ehemannes Joachim kann Carmen Peukert es immer noch nicht fassen. „Er könnte noch leben", ist sich die in Herten lebende Witwe sicher. Der Gedanke, dass trotz nachgewiesener Ärzte-fehler die Schuldfrage für immer unbeantwortet bleiben soll, zermürbt die Familie. Die Peukerts wünschen sich lückenlose Aufklärung. Joachim Peukert klagt über Schmerzen im Unterbauch, als er im Spätsommer 2020 im St.-Elisabeth-Hospital Herten aufgenommen wird. Ärzte untersuchen den 55-Jährigen. Nach einigen Tagen eröffnet ein Professor dem Patienten eine niederschmetternde Diagnose. Es sei praktisch alternativlos, heißt es, dass ihm im Zuge einer Operation ein Teil des Darms entfernt werden muss. Joachim Peukert (2.v.r.) starb im September 2020 im Alter von 55 Jahren. Seine Witwe Carmen (L) und die zwei Kinder sind überzeugt, dass er noch leben könnte.
„Ihm liefen die Tränen aus den Augen“
„Es hieß, es handele sich um einen leichten Eingriff, da die Krankheit noch ganz am Anfang stehe. Wäre sie bereits weiter fortgeschritten, so wäre die Operation sicherlich komplizierter", erinnert sich Carmen Peukert in einem späteren Prozess vor der 6 Zivilkammer am Bochumer Landgericht. Und weiter: Mein Mann hat auf diese Ansage geschockt reagiert. Ihm liefen die Tränen aus den Augen. Er hat gehadert, hat letztendlich aber eingewilligt. Entscheidend war, dass er seine Schmerzen loswerden wollte." Fest steht: Die Darm-Operation am 1. September 2020 im St.-Elisabeth Hospital verläuft fatal. Joachim Peukerts Gesundheitszustand verschlechtert sich bereits in der Nacht darauf dramatisch. Der Hertener wird am Morgen des 2. September 2020 sofort noch einmal operiert. Die Position des zuvor angelegten künstlichen Darmausgangs muss verändert werden. Abstriche im Bauchraum deuten bereits zu diesem Zeitpunkt auf multiresistente Bakterien. Notfallmäßig wird der Patient danach sofort auf eine Intensivstation ins Prosper-Hospital nach Recklinghausen verlegt, auch dort noch nach-operiert Bei dem 55-Jährigen wird erst eine Sepsis (Blutvergiftung), dann ein Multiorganversagen diagnostiziert. Joachim Peukert soll die Klinik schließlich nicht mehr lebend verlassen. Am 23. September 2020 hört sein Herz für immer auf zu schlagen. In einem Zivilprozess am Bochumer Landgericht verpflichtet sich die verklagte Stiftungsklinikum Proselis gGmbh auf Vorschlag des Gerichts, an die Familie Peukert 62.000 Euro zu zahlen. „Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht", heift es in dem geschlossenen Vergleich allerdings. Sprich: Eine Klärung der Verantwortungsfrage für die todbringende Darm-Operation bleibt ausdrücklich außen vor. Die Hertener Familie hatte, vertreten durch die Fachanwältin für Medizinrecht Sabrina Diehl aus Herne, das Ausmaß der Darm-Operation in ihrer Schadenersatzklage als „nicht indiziert" kritisiert und außerdem eine nicht ausreichende Risikoaufklärung bemängelt. Das verklagte Stiftungsklinikum Proselis hatte jegliche Behandlungsfehler bestritten, die Behandlung von Joachim Peukert als „lege artis" (nach den Regeln der Kunst) dargestellt. Ausschlaggebend für das finanzielle Nachgeben aufseiten der beklagten Klinik dürfte nicht zuletzt das überdeutliche Ergebnis eines „viszeralchirurgischen (Bauchraum)-Gutachtens" gewesen sein. Ein vom Landgericht Bochum hinzugezogener Sachverständiger aus Köln, Professor Dr. Hans-Friedrich Kienzle, hatte sich im Zivilverfahren in drei entscheidenden Punkten eindeutig festgelegt. Punkt eins: Die Durchführung der Operation war nicht medizinisch begründet. Oder anders: unnötig Punkt zwei: Die Aufklärung des Patienten erfolgte fehlerhaft. Punkt drei: Trotz eines bereits ganz zu Beginn der Operation entdeckten Befundes, einer Art Verklebung von Gewebe im Bauchraum, der die Beschwerden von Joachim Peukert exakt erklärt hat, wurde die Darm-OP dennoch in aller Massivität fortgesetzt anstatt sie abzubrechen. Obendrein legte der Gutachter fast im Wortsinn den Finger in die Wunde, indem er unmissverständlich erklärte: „Zu dem Eingriff vom 1 September 2020 bestand die echte Alternative einer konservativ-antibiotischen Therapie, über die der Patient hätte aufgeklärt werden müssen. "Man hätte zu der Operation nicht raten dürfen." Was genau dazu geführt hat, dass es zu der dramatischen Entwicklung bei dem Patienten gekommen ist? „Man kann mit 100-prozentiger Sicherheit sagen, dass im Rahmen der ersten OP am 1. September 2020 eine Kausalkette in Gang gesetzt wurde, die dann zu dem dramatischen Verlauf und letztendlich auch zum Tod des Patienten geführt hat", erklärte der Gutachter. Das heißt: Wäre Joachim Peukert nicht operiert worden, wäre der tödliche Verlauf nicht eingetreten. Die Bochumer Staatsanwaltschaft hatte bereits vor dem Zivilprozess ein Todesermittlungsverfahren durchgeführt, in diesem Zusammenhang aber letztlich eine Sorgfaltspflichtverletzung des Operateurs verneint. Joachim Peukert sei ja vorerkrankt gewesen und obendrein sei ein bereits 2021 eingeschalteter Gutachter zu einem die Ärzte entlastenden Ergebnis gekommen, wurde dabei argumentiert. Dennoch ließ sich die Familie davon nicht entmutigen und entschied sich für den Zivilprozess. Doch auch nach Vorlage des bezeichnenden Sachverständigengutachtens aus dem Schadenersatzprozess blieb die Staatsanwaltschaft dabei, lehnte den Antrag des Anwalts Dominik Strobel (aus der Kanzlei Diehl Rechtsanwälte aus Herne) auf Wiederaufnahme von strafrechtlichen Ermittlungen gegen Proselis-Ärzte ab. Familie Peukert fühlt sich dadurch im Stich gelassen. Dass trotz nachgewiesener Behandlungsfehler eine lückenlose (strafrechtliche) Aufklärung von Joachim Peukerts Tod unterbleiben soll, mache ein Verarbeiten des schrecklichen Geschehens, mache eine Trauerbewältigung praktisch unmöglich. „Mein Mann wurde mitten aus dem Leben gerissen." Dass hier vermeidbare ärztliche Fehler gemacht worden sind, könne man doch nicht einfach so ausblenden, beklagt Carmen Peukert. Es gehe nicht darum, jemanden an den Pranger stellen zu wollen, aber wer Fehler mache, der müsse auch dazu stehen.
Familie hofft auf ein Einlenken
Jeder Pkw-Fahrer, der einen tragischen tödlichen Unfall verursacht, muss bei nachgewiesenen Fahrfehlern auch mit einer Anklage wegen einer Fahrlässigkeitstat rechnen*, wagt Rechtsanwalt Dominik Strobel einen Quervergleich Die Hoffnung auf ein Einlenken der Staatsanwaltschaft wollen die Peukerts nicht aufgeben: „Es geht um Gerechtigkeit."