Quelle: "WAZ" 26.06.23 - Porträt von Tobias Bolsmann
Sabrina Diehl kämpft gegen Kliniken
41-Jährige ist spezialisiert auf Arzthaftungsrecht - als eine der wenigen Anwältinnen und Anwälten
Tobias Bolsmann
Ob ein Krebspatient, der gegen einen Apotheker wegen des Verdachts der gepanschten Medikamente klagt, ob ein Mann, der ein Schmerzensgeld erstreitet, weil es in einer Feuerwehr-Leitstelle zu einer fatalen Fehldiagnose gekommen ist; oder ein Mann, der wegen eines Behandlungsfehlers drei Zehen verlor. Wenn in der Medizin mutmaßlich Fehler passieren, ist die Wahrscheinlichkeit nicht gering, dass Sabrina Diehl die Opfer vertritt. Die Hemerin ist eine der wenigen Anwältinnen und Anwälte in Deutschland, die sich auf das Arzthaftungsrecht spezialisiert haben. Und: Diehl vertritt nur Patienten. Der Hemer WAZ hat sie Einblicke in ihre Arbeit gewährt.
Per Zufall zum Fachgebiet
Manches im Leben verläuft nach Plan, manches lenkt der Zufall: "Ich wollte immer Anwältin werden", erzählt die 41-Jährige, soweit also alles nach Plan. Der Zufall wollte es dann, dass sie als angestellte Anwältin ihr heutiges Fachgebiet kennengelernt hat. "Ich habe sofort gemerkt, dass mir medizinische Fülle liegen", so Diehl. Selbstverständlich ist das nicht. Einerseits gehören zu den Akten Fotos mit unschönen Verletzungen, dafür muss man ein dickes Fell haben", so Diehl. Andererseits erlebt Diehl, wie ganze Familienschicksale an den Fallen hängen. Wenn der Alleinernährer einer Familie aufgrund eines Behandlungsfehlers nicht mehr arbeiten kann, geht es um Existenzen. Deshalb hält sie ihre Arbeit für sehr wichtig. Allerdings: Die Fälle lasse sie nicht so nah an sich heran, sonst hätte sie dieses Rechtsgebiet nicht gewählt. Wenn mich ein Fall persönlich belasten würde, würde ich meine Objektivität verlieren und wäre keine gute Vertretung" Was Diehl als Vorteilsicht: Auch die Gerichte und die Kollegen der Gegenseite seien spezialisiert, alle hätten die nötige Erfahrung. Da man sich mit der Zeit immer wieder sehe und kenne, könne man miteinander sprechen und zu vernünftigen Lösungen kommen. Im Laufe der Jahre habe sich ihre Kanzlei einen guten Ruf erarbeitet, so würde ein Richter in Hamburg sie immer wieder empfehlen. Und sie könne mit ihrer Arbeit das Vorurteil widerlegen, dass es nichts bringt, gegen Ärzte vorzugehen. Was Diehl betont: Kliniken leisteten gute Arbeit, aber es gebe eben den menschlichen Faktor: Wo gearbeitet werde, würden Fehler passieren. Da die Medizin ein weites Feld ist gebe es nichts, was es nicht gebe. Was immer wieder vorkomme: dass beim Kaiserschnitt die Anästhesie versage. Dazu habe sie im Laufe der Jahre schon fast 20 Falle verhandelt. Auf Grund der Vielfalt müsse sie sich immer wieder neu in medizinische Fachgebiet einarbeiten. Dass Diehl nur Patientinnen und Patienten vertrete, liege daran, dass sie sich für eine Seite positionieren wollte. Das spiegelt sich auch darin wider, dass sie für angemessene Schmerzensgelder kämpft, denn die seien aktuell in Deutschland zu niedrig. Wenn sie auf beiden Seiten agieren würde, bestünde die latente Gefahr, in einen Interessenkonflikt zu geraten. Wenn ich eine Klinik vertrete, kann ich später schlecht gegen sie vorgehen", so Diehl.
Nicht David gegen Goliath
Als David-Anwältin, die gegen Goliath Kliniken kämpfe, fühle sie sich nicht. Zwar würden manche Krankenhäuser eine Anwaltsschar aus großen Kanzleien aufbieten, aber für alle Seiten würde die zivile Prozessordnung gleichermaßen gelten. Die Schwierigkeit auf Patientenseite bestehe darin, dass man beweisen müsse, dass ein Behandlungsfehler vorliegt und dadurch ein Schaden entstanden ist. "Ich weiß allerdings, dass wir der einen oder anderen Klinik auf die Nerven gehen." Und sie betont: Patienten haben eine Chance, vor Gericht zu gewinnen. Wenn man regelmäßig Ärztefehler auf dem Schreibtisch hat: Kann Diehl dann noch selbst mit einem guten Gefühl zu Ärzten gehen? Ja, sie habe ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihren Ärzten. Als sie eine neue Hausärztin gesucht habe, habe sie mit offenen Karten gespielt: "Ich sage Ihnen, was ich beruflich mache, und Sie sagen mir, ob Sie mich als Patientin haben wollen."
Seit 2018 mit Kanzlei in Herne
Sabrina Diehl hat die Kanzlei im Juni 2013 übernommen, im Mai 2018 ist sie mit der Kanzlei von Marl nach Hemme an die Schulstraße gezogen. Diehl selbst lebt bereits seit 2016 in Herne.
Herne als Standort sei ideal für die Kanzlei. Zwar sei sie aufgrund ihrer Spezialisierung bundesweit tätig, doch die meisten Mandate seien in NRW und - aufgrund der hohen Klinik- und Arztedichte - im Ruhrgebiet.
Neben ihrer anwaltlichen Tätigkeit ist Sabrina Diehl Lehrbeauftragte an der Uni Siegen.