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Ein Krankenhausträger hat stets die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen um den Körper und das Leben von (sturzgefährdeten) Patienten zu schützen. Dabei wird der Umfang der konkreten Schutzmaßnahmen durch die Medizin- und Pflegestandards bestimmt. Bei der Annahme einer Sorgfaltspflichtverletzung hat das Gericht (OLG Köln) auf jegliche Beweisanträge einzugehen und darf keine eigenständige Bewertung des Geschehens vornehmen.

Geklagt hatten vorliegend die Erben einer 66-jährigen Patientin, die sich nach einer Knie-OP zunehmend desorientiert und unruhig entwickelte. Aufgrund mehrerer Vorfälle hat die Beklagte, also der Krankenhausträger, die Sturzgefahr der Patientin als extrem hoch eingestuft. Als eine Pflegekraft sie später auf den WC-Stuhl transferieren wollte, fiel sie zu Boden, allerdings ohne sich eine bedeutende Verletzung hinzuzufügen. Anschließend ist in den Behandlungsunterlagen der Beklagten dokumentiert, dass die Patientin wieder aufgeklart sei und Abläufe und Personen wieder einordnen könne. Noch am selben Tag, nur etwa eine Stunde später, stürzte sie erneut. Diesmal als man ihr das Mittagessen auf den Nachttisch stellte. Sie stürzte sitzend von der Bettkante, fiel auf den Boden und zog sich eine Unterschenkelmehrfragmentfraktur zu, die im weiteren Verlauf tragischerweise zu einer Beinamputation führte. Die hinterbliebenen Kläger führten nun an, dass die Beklagte die erforderlichen Schutz- und Sorgfaltspflichten nicht eingehalten haben. Insbesondere wäre die Patientin nicht ausreichend darüber aufgeklärt worden, dass sie sich nicht alleine mobilisieren dürfe. Das Verhalten der Pflegekräfte sei grob fehlerhaft gewesen.

Nachdem die Kläger vor dem zuständigen Landgericht (Bonn) keinen Erfolg hatten, wies das Oberlandesgericht die Berufung mit der Begründung zurück, die Kläger hätten einen Pflegefehler nicht schlüssig dargelegt. Das OLG gab an, dass zwar grundsätzlich von einer Obhutspflicht der Beklagten auszugehen sei, jedoch habe sich die Patientin laut Pflegedokumentation unmittelbar vor dem Sturz wieder langsam orientieren können. Im Übrigen hätten die Kläger hier keine konkreten Anhaltspunkte dargelegt, dass die Patientin zum Sturzzeitpunkt gerade nicht fähig war, ihre Nahrung eigenständig aufzunehmen. Die Revision und Überprüfung durch den BGH wurde vom OLG nicht zugelassen. Hiergegen wendeten sich die Kläger mit Erfolg, sodass die Angelegenheit erneut vor dem OLG geprüft werden muss.

Der BGH entschied:  Die Annahme des Berufungsgerichtes, dass vorliegend keine besonderen Schutzmaßnahmen erforderlich gewesen wären, verletzen die Kläger in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 I GG. Denn dem Gericht obliegt stets die Pflicht, Ausführungen der Prozessbeteiligten, hier der Kläger, umfassend zur Kenntnis zu nehmen. Das Berufungsgericht hat in seinem Beschluss in unzulässiger Weise eine eigenständige pflegewissenschaftliche Bewertung des Geschehens vorgenommen. Vielmehr wäre es erforderlich gewesen, die dokumentierten Pflegeabläufe, insbesondere ob die Patientin über ausreichend kongnitive Fähigkeiten zur Prüfung und Verständnis ihrer Situation verfügte, durch Einholung eines pflegerischen Sachverständigengutachtens zu prüfen. Daher wurde die Entscheidung des OLG Köln durch den BGH aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.


Ein Patient hat gegen seinen behandelnden Arzt einen Anspruch auf kostenlose Zurverfügungstellung einer ersten Kopie seiner vollständigen Patientenakte.

Das hat nun der EuGH in seinem Urteil vom 26.10.2023 (C 307/22) entschieden. Anlass dafür war eine Herausgabeklage eines Patienten gegen seinen Zahnarzt in Deutschland, da dieser die betreffende Patientenakte nur gegen Entgelt zur Verfügung stellen wollte. Eine eingelegte Berufung zum BGH ergab jedoch, dass eine Auslegung der Datenschutzgrundverordnung stattfinden müsste, um diese Rechtsfrage hinreichend klären zu können. Denn für einen Herausgabeanspruch personenbezogener Daten aus einem Behandlungsvertrag nach § 630a BGB sind nicht nur Vorschriften des BGB im Verhältnis zwischen Patient und Arzt von Bedeutung, sondern auch die Datenschutzgrundverordnung als unmittelbar anwendbares EU-Recht. Somit befasste sich der EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens mit der Frage, wie die Artt hier ausgelegt werden.


Die Höhe des Hinterbliebenengeldes hängt vom Einzelfall ab - Der Betrag von 10.000 € (Gesetzesentwurf CDU/CSU und SPD, BT-Druck 18/11397, S. 11) stellt allenfalls einen Richtwert und keine Obergrenze dar. Die Bemessung erfolgt insbesondere nach der Intensität des erlittenen seelischen Leids, nach dem Grad des Verschuldens des Schädigers und nach der Art des Näheverhältnisses zwischen Hinterbliebenem und Geschädigtem .

 

Die Klägerin, Tochter eines bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückten Mannes, verlangte von der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners Zahlung eines angemessenen Hinterbliebenengeldes. Der 81-jährige Mann wurde von dem Versicherten der Beklagten bei der Ausfahrt von einem Parkplatz vorfahrtswidrig erfasst und verstarb noch am Unfallort. Die Klägerin stand mit ihrem Vater in einer sehr engen persönlichen Beziehung, verfügte über sämtliche Vollmachten und kümmerte sich auch sonst um alle Angelegenheiten seines täglichen Lebens. Durch den plötzlichen Unfalltod ihres Vaters litt die Klägerin unter Schlafstörungen und verlangt daraufhin die Zahlung von Hinterbliebenengeld.

 

Nachdem die Beklagte bereits vor der Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens einen Betrag von 3.000 € an die Klägerin gezahlt hatte, verlangte sie Zahlung von mindestens weiteren 7.000 €. Das Landgericht wies die Klage allerdings teilweise zurück und verurteilte die Beklagte nur zur Zahlung von 3.500 €. Dagegen legte die Klägerin Berufung ein und das Oberlandesgericht verurteilte die beklagte Haftpflichtversicherung daraufhin zur Zahlung von 7.000 €. Um das Urteil des Landgerichtes wiederherzustellen ging die Beklagte nun vor den Bundesgerichtshof.

Dieser befasste sich nunmehr umfassend mit der Fragestellung, in welchen Fällen und in welcher Höhe beim Tod eines Angehörigen ein Hinterbliebenengeld zu zahlen ist:

Gem. § 10 Abs. 3 StVG steht einer Person beim Unfalltod eines nahen Angehörigen, der dadurch konkret beeinträchtigt ist, eine Entschädigung in Geld zu. Im Vergleich zum Schmerzensgeld, welches eine eigene physische oder psychische Verletzung ausgleichen soll, ist Hinterbliebenengeld zu zahlen, wenn der Angehörige durch den Verlust einer geliebten Person erheblich trauert, also seelisch beeinträchtigt ist. Unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles ist es dabei die komplexe Aufgabe des Gerichtes eine genaue Anspruchshöhe zu bemessen. Dabei spielen wichtige Grundsätze des allgemeinen Schadensrechts eine Rolle. Die Ausgleichsfunktion kann zwar die erlittenen seelischen Beeinträchtigungen nicht vollständig ausgleichen, das seelische Leid aber zumindest lindern. Daneben steht die Genugtuungsfunktion, die dem Hinterbliebenen durch Geldzahlung Genugtuung zusprechen soll. Um nun einen genauen Betrag zu ermitteln, müssen alle Umstände des einzelnen Falles berücksichtigt werden. Daher kommt es entscheidend darauf an, wie intensiv und über welchen Zeitraum der betroffene Angehörige das schmerzhafte Ereignis erleiden musste, in welchem Näheverhältnis die hinterbliebene Person zum Geschädigten stand und auf welche Art die konkrete Beziehung zwischen Ihnen ausgelebt wurde. Im vorliegenden Fall ist eine sehr enge Beziehung zwischen Vater und Tochter anzunehmen, die auch konkret so ausgelebt wird, da die Klägerin sich u. a. um alle Angelegenheiten um ihren Vater kümmerte. Der BGH betont dabei zudem, dass das Hinterbliebenengeld im Gegensatz zum Ersatz von Schockschäden (Beitrag aus Oktober 2023), welche eine eigene Gesundheitsverletzung des Anspruchsstellers voraussetzen, auch Beeinträchtigungen unterhalb dieser Schwelle ersetzen soll, die sich gerade aus der tiefen Trauer über den Tod eines Angehörigen ergeben.

Der BGH stellt weiterhin fest, dass der Betrag von 10.000 €, der sich in der Kostenschätzung des Gesetzesentwurfs befindet, nur ein „Anker“ bzw. eine „Orientierungshilfe“ darstellt und bei der Bezifferung sowohl in die Höhe als auch in die Tiefe je nach konkretem Einzelfall abgewichen werden kann. Zwar argumentiert das Berufungsgericht, dass sich die Bemessung dabei auch in das stimmige Gesamtgefüge des deutschen und europäischen Entschädigungsniveaus einzufügen habe, allerdings hält der BGH dem klar entgegen, indem er betont, dass die einem Angehörigen zustehende Entschädigung nur in Ansehung der in Deutschland geltenden Lebensverhältnisse bemessen werden dürfe. Ein Vergleich mit Dritt Staaten, in denen andere Rechtsgrundsätze herrschen, sei insoweit nicht stichhaltig.

Insgesamt hebt der BGH das Berufungsurteil auf und verweist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück zum Berufungsgericht, wobei die Bemessung der Höhe dem dortigen Tatrichter vorbehalten ist. Eine Entscheidung im Hinblick auf die exakte Höhe des Hinterbliebenengeldes die der hinterbliebenen Frau im vorliegenden Fall zusteht trifft der BGH also in diesem Urteil nicht. Im Hinblick auf die komplexe Bemessung des Hinterbliebenengeldes auch in zukünftigen Fällen setzt er jedoch eine aussagekräftige Leitlinie.


Kläger des Berufungsverfahrens vor dem Bundesgerichtshof war der Vater eines Mädchens, die im Alter von fünf bis sechs Jahren von dem Beklagten sexuell missbraucht wurde. Im Laufe der Ermittlungen und des Strafverfahrens litt der Mann unter einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung, die psychologisch behandelt werden musste und zu einer längeren Arbeitsunfähigkeit führte. Nun macht er gegenüber dem Schädiger seiner Tochter die Zahlung von Schmerzensgeld geltend.

Das Landgericht Lüneburg gab der Klage zunächst statt. Der Beklagte legte zur Klageabweisung Revision ein. Der Bundesgerichtshof nahm ebenfalls einen Schmerzensgeldanspruch an, allerdings zum Teil mit einer anderen rechtlichen Begründung:

Grundsätzlich stellen nicht nur körperlich sichtbare Verletzungen, sondern auch psychische Beeinträchtigungen ersatzfähige Gesundheitsverletzungen dar, die zu einem Anspruch auf Schmerzensgeld führen könne, wenn dem Schädiger diese auch zuzurechnen sind. Das ist auch dann der Fall, wenn der Kläger, wie hier, nicht unmittelbar durch eine Verletzung des Beklagten selbst sondern mittelbar durch die Verletzung eines Dritten, wie hier durch die Schädigung der Tochter, beeinträchtigt wird. Denn auch das ist dem Verhalten des Schädigers als kausale Folge seiner Straftat zuzurechnen. Auch wenn der betroffene Angehörige selbst keine erkennbaren psychischen Beeinträchtigungen davongetragen hat, führen solche Geschehnisse bei einem Vater als naher Angehöriger, der im Normalfall eine besondere persönliche Beziehung zu seiner Tochter hat, zu einer nachvollziehbaren Schädigung seiner selbst.

Nachdem die bisherige Rechtsprechung für solche Fälle allerdings eine Störung forderte, die über das Maß hinausgeht, was betroffene Angehörige in einer vergleichbaren Situation im Normalfall erleiden, ist nunmehr ausreichend, dass eine Verletzung vorliegt, die ein medizinisch diagnostizierbares Krankheitsbild darstellt. Es muss eine konsequente Gleichstellung von physischen und psychischen Beeinträchtigungen als eigene Gesundheitsverletzung des Klägers geben, so der BGH. Für die Annahme einer solchen Verletzung kann nicht relevant sein, welche Beeinträchtigungen Angehörige in vergleichbaren Fällen aufweisen. Solange eine Verletzung zu einer feststellbaren Krankheit führt, die durch die Schädigung des Gegners verursacht wurde, muss ein Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes bestehen.

So auch hier. Bei dem betroffenen Mann wurde mit Bekanntwerden der Straftaten zum Nachteil seiner Tochter eine Anpassungsstörung im Sinne von ICD-10 F43.2 mit einer depressiven Symptomatik diagnostiziert, die sich mit einer depressiven Symptomatik, Angst und Besorgnis, Einschränkung der Bewältigung der alltäglichen Routinen, verbunden mit einem Rückzug von Sozialkontakten entwickelt hat. Somit nahm der BGH am 06.12.2022 ebenfalls einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld an, verwies die Sache allerdings zur neuen Verhandlung an das Berufungsgericht zurück.


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