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 "Streit" Feministische Rechtszeitschrift 03/2022 - Gewalt unter der Geburt – Bietet ein Arzthaftungsprozess Schutz?

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Quelle: "Streit - Feministische Rechtszeitschrift" - Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht Sabrina Diehl

Gewalt unter der Geburt – Bietet ein Arzthaftungsprozess Schutz?

Erfahrungsbericht aus Sicht einer Patientenanwältin

Der Sachverhalt:

Seit Stunden liegt eine Frau in den Wehen. Sie hat starke Schmerzen, sorgt sich um ihr Ungeborenes. An ihr vorbei huschen hektische Schritte. „Ich halte das nicht mehr aus!“, wimmert sie. Harsch geht ein Arzt sie an: „Jetzt reißen Sie sich zusammen! So wird das nichts.“. Es fühlt sich an wie Elektroschocks, als der Assistenzarzt ohne vorherige Erklärung mit seinen Fingern die Muttermundsöffnung prüft, obwohl bereits wenige Minuten zuvor diese Untersuchung bereits von einer erfahrenen Hebamme gemacht wurde. Der Ton der Mitarbeiter*innen ist harsch und ruppig, die Patientin fühlt sich alleingelassen.

Wenig später wird die ärztliche Entscheidung zur Sectio (Kaiserschnittentbindung) getroffen. Die Anästhesie wirkt jedoch nicht vollständig, die Patientin schreit vor Schmerz und hat Todesängste, während die Geburt fortgeführt und weitere Schnitte gesetzt werden. Sie spürt, wie Muskeln auseinandergerissen werden, das Kind aus dem Körper geholt und die Verletzungen vernäht werden. Vom Schmerz betäubt und von Scham erfasst, verfällt sie in Schockstarre. Sie kann nur noch denken „Halte durch! Eine Geburt ist nun mal schmerzhaft. Der Arzt weiß sicher, was das Richtige ist.“ Sie ist nicht mehr in der Lage, sich zu wehren. Auch der anwesende Kindsvater ist geschockt und versucht, seine Ehefrau zu trösten. Zwei Stunden später wiegt sie ihr Baby in den Armen. Obwohl sie sich so auf diesen Moment gefreut hatte, kann sie ihn nicht genießen - sie ist traumatisiert und in den nächsten Monaten leidet sie unter Panikattacken, Schlafstörungen und Depression, worunter das gesamte Familienleben und soziale Leben leidet.

 

Ein Einzelfall?

Das Schicksal dieser Patientin ist bedauerlicherweise kein Einzelfall. Von derartigen und ähnlichen Erlebnissen, insbesondere einer unzureichenden Wirkung der Lokalanästhesie im Zusammenhang mit einer Kaiserschnittentbindung, hört Sabrina Diehl, Fachanwältin für Medizinrecht, in ihrer Berufspraxis regelmäßig und bundesweit vertrat sie bereits über 20 Frauen zivilrechtlich zu dieser Thematik.

In der Regel dauert es Monate bis Jahre, bis Frauen anwaltlichen Rat suchen und den Rechtsweg beschreiten. Häufig sind betroffene Frauen traumatisiert, fühlen sich „vergewaltigt“. Sie klagen über physische und/oder psychische Gewalt unter der Geburt. Die Geburt ist ein intimer Ausnahmezustand verbunden mit sehr großen Schmerzen und der Sorge um das ungeborene Kind. Leider fehlt es dem ein oder anderen Fachpersonal an Empathie und der Fähigkeit, Patienten Ängste zu nehmen und sie gleichzeitig optimal medizinisch zu versorgen. Mitunter unterlaufen auch medizinische Behandlungsfehler, die zu körperlichen Schäden bei Mutter und/oder Kind führen können. Die Auseinandersetzung mit den Erlebnissen erfolgt häufig erst Monate später, da in der Anfangszeit der Fokus zunächst auf der Versorgung des neugeborenen Kindes liegt und der Alltag wird neu organisiert. Die recht kurzen Strafantragsfristen sind zu diesem Zeitpunkt häuft bereits abgelaufen. Zivilrechtliche Ansprüche verjähren hingegen frühstens 3 Jahre, beginnend mit dem Zeitpunkt des Verdachts einer fehlerhaften Behandlung.

 

Ein Mandat mit Feingefühl

Diese zivilrechtlichen Mandatsgespräche sind besonders und die Schwierigkeit liegt insbesondere in der gemeinsamen Aufarbeitung des Sachverhaltes. Es handelt sich um ein hoch emotionales und sensibles Thema. Die Betroffenen müssen den Sachverhalt nochmals detailliert darstellen und durchleben somit die Ereignisse erneut. Die Schwierigkeit besteht in der Abgrenzung und Beratung zwischen haftungsrechtlich relevantem Fehlverhalten und rechtlich nicht verfolgbarem empathielosen Verhaltens von ärztlichem und nichtärztlichem Personal. Bereits hier werden Betroffene zunächst auf den juristischen Boden der Tatsachen geholt, welches mit ihrem Rechtsempfinden nur schwer in Einklang zu bringen ist. Der anwaltliche Hinweis: „Die Rechtsordnung schützt uns nicht davor, Idioten über den Weg zu laufen.“ ist da nur ein kleiner Trost.

In der anschließenden juristischen Aufarbeitung des Sachverhaltes besteht die Schwierigkeit, dem Bedürfnis der Betroffenen nach umfassender Aufklärung des Erlebten auf der einen Seite und der Fokussierung auf den relevanten Streitstand auf der anderen Seite gerecht zu werden. Wird der Sachvortrag mit zwar emotional bedeutungsvollen, jedoch juristisch irrelevanten, Sachverhalt überfrachtet, geht schnell der Blick für das Wesentliche verloren, so dass auch hier sehr viel Aufklärungsarbeit für ein besseres Verständnis der juristischen Arbeit zu leisten ist.

Der Arzthaftungsprozess:

Können mögliche Ansätze für Behandlungsfehlervorwürfe herausgearbeitet werden, müssen sich Betroffene darüber im Klaren sein, dass die Rechtsverfolgung in Form einer Arzthaftungsklage – ungeachtet des hohen wirtschaftlichen Risikos für nicht rechtsschutzversicherte Mandanten - mit nicht unerheblichen emotionalen Strapazen verbunden ist, da sie in einem Prozess den Sachverhalt immer und immer wieder durchspielen müssen. Gerade dann, wenn die Erlebnisse vonseiten der Klinik bestritten oder gar Mitverschulden der Patientin eingewandt wird, trifft das Betroffene erneut sehr emotional.

Zu einer juristisch vernünftigen außergerichtlichen Lösung war bislang nur ein Haftpflichtversicherer in einem derartig gelagerten Fall bereit. Neben eines angemessenen Schmerzensgeldes wurden die Kosten für eine Traumatherapie vonseiten der Haftpflichtversicherung gezahlt.

Viele Frauen brauchen auch diese juristische Aufarbeitung, um das Erlebte verarbeiten zu können, so dass sie auch den Klageweg bestreiten. Für den Arzthaftungsprozess geradezu typisch ist es, dass der Ausgang wesentlich von dem Ergebnis eines Sachverständigengutachtens abhängig ist. In ähnlich gelagerten Fällen kommen Gutachter jedoch auch immer wieder zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Das ist auch der Grund, wieso diese Verfahren völlig unterschiedlich ausgehen und zuvor keinerlei sichere rechtliche Prognose abgegeben werden kann; insbesondere dann nicht, wenn in der Patientenakte keinerlei Hinweise auf besondere Vorkommnisse zu finden sind. Auf der einen Seite wird eine unzureichende Anästhesie als Risiko eingestuft, welches trotz größter Sorgfalt nicht stets zu vermeiden sei. Auf der anderen Seite werden hohe Anforderungen an die Überprüfung der Anästhesie vor dem ersten Hautschnitt gestellt sowie eine engmaschige Kontrolle mit etwaiger Anpassung der Medikation, sollte die Patientin während der Sectio Schmerzen verspüren, gefordert.

Gerade zum häufigen Thema unzureichende Anästhesie im Zusammenhang mit der Sectio gibt es keine veröffentlichen Referenzentscheidungen, die als Stütze herangezogen und Sachverständigen vorgehalten werden können. Erfolgreiche Verfahren werden in der Regel per Vergleich erledigt, so dass sich Betroffene nicht einer weiteren Instanz unterziehen müssen oder einer langwierigen psychologischen Begutachtung.

Daneben wird der Ausgang der Verfahren auch wesentlich von der Einstellung der zuständigen Richter beeinflusst, so der Eindruck der Patientenanwältin. Die Art der Befragung der Betroffenen, der Klinikangestellten sowie die Würdigung der Parteianhörung kann bereits das Verfahren in eine bestimmte Richtung lenken. So gab es auf der einen Seite Aussagen von Richter*innen „Wer so große Schmerzen hat, bleibt doch nicht ruhig liegen.“ und auf der anderen Seite die richterliche Würdigung: „So detailliert, wie Sie es beschreiben, kann ich mir nur schwer vorstellen, dass Sie sich das alles ausdenken.“.  Entsprechend fällt auch die Würdigung der Zeugenaussagen von Klinikpersonal und Ehepartnern aus.

Wenn neben der Thematik unzureichende Wirkung der Anästhesie auch weitere Themen - wie nicht indizierte vaginale Untersuchungen - streitgegenständlich sind, die nicht zu einem deutlich sichtbaren körperlichen Schaden geführt haben, scheint teilweise die Bedeutung den Kammermitgliedern nicht klar zu sein. Wie in dem eingangs geschilderten Fallbeispiel begehrt die Patientin u.a. ein eingemessenes Schmerzensgeld für die kurzfristigen Schmerzen, die Persönlichkeitsrechtsverletzung sowie die Scham, die sie durch eine medizinisch nicht notwendige vaginale Untersuchung seitens eines Assistenzarztes erleiden musste und unter deren Folgen sie noch heute leidet. Der Arzt hatte sich weder namentlich vorgestellt noch die Patientin darauf vorbereitet, dass und warum er eine Untersuchung vornahm. Es konnte aufgearbeitet werden, dass der Assistenzarzt lediglich zu Ausbildungszwecken die Untersuchung vorgenommen hatte. Da die Patientin jedoch bereits sehr lange in den Wehen lag und bereits zahlreiche Untersuchungen über sich ergehen lassen musste, hätte sie dieser Untersuchung zu Übungszwecken nicht zugestimmt. Die Kammer, besetzt von 3 Frauen, stellte im Gütetermin eher abweisend die Frage an die Klägervertreterin, was diese nicht indizierte Untersuchung wert sein soll. Die Klägervertreterin antwortete mit einer Gegenfrage: „Naja, was wäre es Ihnen wert, wenn Ihnen ein Mann ungefragt und ohne Ihre Einwilligung zwei Finger in die Vagina schiebt?“. Die Entscheidung in dieser Sache steht noch aus. Da der Kern der Sache allerdings deutlich beim Namen genannt wurde, besteht die Hoffnung, dass die eigentlich rechtliche Problematik bei den Kammermitgliedern angekommen ist.

 

Fazit:

Die Probleme beim Thema Gewalt unter der Geburt sind vielfältig. Ausgenommen von ärztlichen Behandlungsfehlern, die nach den typischen Regeln des Arzthaftungsrecht beurteilt und bewertet werden können, sind die rechtlichen Möglichkeiten bei den vielfältigen Formen von Gewalt, von denen Frauen berichten, kaum gegeben. Auf der einen Seite schulden Kliniken aufgrund des geschlossenen Behandlungsvertrages, die werdende Mutter und das Kind unter Einhaltung des Facharztstandards durch die Geburt zu bringen. Hierbei haben Patientinnen – allerdings im eingeschränkten Rahmen - ein gewisses Mitsprachrecht. Die Grenzen, für welche Behandlungsschritte es der Zustimmung bedarf oder für die sich Ärzt*innen selbst entscheiden dürfen, sind gesetzlich nicht geregelt.

Allein der Begriff Gewalt wird unterschiedlich ausgelegt. Der ärztliche Heileingriff erfüllt nach jahrzehntelanger höchstrichterlicher Rechtsprechung den Tatbestand der Körperverletzung. Solange die Behandlung jedoch lege artis durchgeführt und/oder durch eine wirksame Einwilligung der Betroffenen gerechtfertigt ist, folgen keine rechtlichen Sanktionen.

Kliniken schulden eine dem medizinischen Facharztstandard entsprechende Behandlung. Ärztliches Ziel ist es, Mutter und Kind gesund durch die Geburt zu bringen, wobei dies bedauerlicherweise nicht garantiert werden kann. Auch bei Einhaltung der größtmöglichen Sorgfalt können Kinder und Mütter unter der Geburt gesundheitliche Schäden erleiden. Dieses gilt es abzugrenzen.

Teilweise wird von Betroffenen bereits mangelnde Empathie als Gewalterfahrung angesehen. Der Druck auf Klinikmitarbeiter*innen steigt durch Personalmangel und wirtschaftlichen Druck, wodurch die Zeit für die Betreuung der Patientinnen immer knapper und das Nervenkostüm der Mitarbeiter*innen immer dünner wird. Die Folge sind ein ruppiger Ton, eine knappe Kommunikation sowie fehlendes Einfühlungsvermögen. Mangelnde Empathie stellt jedoch weder eine strafbare Körperverletzung noch eine Vertragspflichtverletzung dar.

Auch enttäuschte Erwartungen lösen keine zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche aus. Es scheint auf der einen Seite eine Entwicklung dahin zu geben, dass patientenseits teilweise die Geburt als Happening verstanden und erwartet wird. In den Vorabgesprächen mit Klinikbesuchen wird diese Erwartungshaltung teilweise sogar verstärkt, indem mit Sonderleistungen wie liebevoll eingerichteten Zimmern und Geburtswannen geworben wird. Stehen diese jedoch am Tag der Geburt nicht zur Verfügung und stellen Frauen unter der Geburt fest, dass diese nicht blumenhaft, stattessen extrem schmerzhaft und ein Kraftakt ist, ist die Enttäuschung groß.

Somit scheint ein Kernproblem – wie in so vielen Lebenslagen – in der mangelhaften Kommunikation zu liegen. Je realistischer die Erwartungen sind und je eingebundener Patientinnen sich fühlen, umso größer ist die Zufriedenheit und etwaige Komplikationen können besser verarbeitet und akzeptiert werden.

Es gibt durchaus viele Kliniken, in denen sich Empathie und gute medizinische Versorgung nicht ausschließen. Dies sollte das Ziel aller Kliniken sein. Auf der anderen Seite müssen Patientinnen eine realistische Vorstellung davon haben, was für Strapazen eine Geburt bedeutet und dass mitunter schnelle medizinische Entscheidungen getroffen werden müssen, bei denen Patientinnen nur bedingt eingebunden werden können. Hierzu sollten Vorgespräche genutzt werden. Wichtig bleibt aber: äußern Patientinnen Sorgen, Unsicherheiten oder gar Schmerzen, müssen diese ärztlicherseits ernst genommen und abgeklärt werden. Andernfalls kann die Nichtreaktion einen Schadensersatzprozess auslösen, der für beide Seiten risikobehaftet ist. Patientinnen, die Opfer einer fehlerhaften Behandlung und/oder Opfer von Gewalt wurden, sind nicht rechtlos und viele von Ihnen bringen ungeahnte Kräfte auf, Ihre Rechte trotz aller Belastung durch die Instanzen entscheiden zu lassen. Eine gute Kommunikation, erst recht nach komplikationsbehafteten Behandlungen, minimiert die Bereitschaft, einen Arzthaftungsprozess zu führen.

 


 Ruhr Nachrichten vom 23.04.2021 Frau wollte nach Hand OP 50000 Schmerzensgeld Bergmannsheil Gelsenkirchen Herne Recklinghausen 2

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Quelle: Ruhr Nachrichten - J. Hartwich

Eine Frau aus Recklinghausen hatte das Bergmannsheil in Gelsenkirchen verklagt. Überzeugen konnte sie die Richter aber nicht.

Die Schmerzen sind noch immer da, die Beweglichkeit ist eingeschränkt: Dass ihre Hand-OP vor rund zweieinhalb Jahren hätte besser verlaufen können, ist wohl unbestritten. Aber kann den Ärzten wirklich ein Vorwurf gemacht werden? Eine Büroangestellte aus Recklinghausen war sich da absolut sicher und hatte das Bergmannsheil in Gelsenkirchen auf 50.000 Euro Schmerzensgeld verklagt.

Behandlungsfehler nachweisbar?

Überzeugen konnte sie die Richter am Essener Landgericht jedoch nicht. Sie haben ihre Klage am Freitag abgewiesen. Kein Behandlungsfehler nachweisbar, hieß es von Seiten der Richter. Ob der Fall damit aber endgültig erledigt ist, bleibt abzuwarten. Sabrina Diehl, Anwältin der Klägerin, will in den nächsten Wochen prüfen, ob sie Berufung gegen das Urteil einlegen wird.

Der Fall geht zurück auf Oktober 2018. Damals war die Klägerin in der Garage gestürzt. Erst hatte sie den Sturz gar nicht so richtig ernst genommen, doch die Schmerzen wurden immer schlimmer. Die Ärzte hatten schließlich einen Trümmerbruch in der rechten Mittelhand festgestellt. Uneinigkeit bestand jedoch über die sinnvollste Operationsmethode.

OP-Methode mehrfach gewechselt

Der behandelnde Chirurg hatte es nach eigenen Angaben zuerst mit Drähten versucht, dann mit Schrauben und Platten. Am Ende kam ein Oberarzt hinzu, der wieder auf Drähte umschwenkte. Nicht ungewöhnlich, hatte es dazu im Prozess von Seiten der Mediziner geheißen. Vor allem bei einem so schwierigen Fall. „So eine Fraktur sieht man nicht alle Tage“, hatte der Operateur bei seiner Zeugenvernehmung erklärt.

Zurückgeblieben sind eine Fehlstellung des kleinen Fingers und eine mehrere Zentimeter lange Narbe.

Klinik hatte die Vorwürfe zurückgewiesen

Um den Fall zu überprüfen hatten die Richter einen externen Gutachter hinzugezogen, der den Fall unter die Lupe nahm. Dabei ging es auch um eine möglicherweise falsch angelegte Schiene nach der OP. Am Ende sahen die Essener Richter jedoch keine Veranlassung, von einem Behandlungsfehler auszugehen.

Das Bergmannsheil selbst hatte die Vorwürfe von Anfang an zurückgewiesen.


BILD vom 25.02.2021 Mein Krebs war nur eine Entzündung Herne Oberhausen Pathologen Behandlungsfehler groß

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Quelle: Bild - C. Witte

Oberhausen – Er kämpfte gegen eine tödliche Krankheit, die er wohl nicht hatte.

Vor zwei Jahren bekam Krankenpfleger Martin Bolitz (61) die schreckliche Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs. Er unterzog sich einer sechs Stunden langen OP, bei der ihm der Dünndarm, Teile der Galle und der Pankreaskopf entfernt wurde: Doch später kam heraus: Der Eingriff war völlig überflüssig.

Was ist passiert? Als Bolitz kurz vor Weihnachten 2018 mit Bauchbeschwerden ins Krankenhaus ging, wurden ihm Gewebeproben aus der Bauchspeicheldrüse entnommen und in ein pathologisches Institut nach Mülheim geschickt.

Bolitz: „Telefonisch und schriftlich wurden der Klinik und mir zweifelsfrei mitgeteilt, dass aggressive Tumorzellen gefunden worden sind. Fünf Tage später lag ich auf dem Tisch.“

Nach der OP seien erneut Proben gezogen worden. „Dieses Mal wurde nicht eine einzige Tumorzelle gefunden. Ich hatte nur eine Entzündung der Pankreas.“ Bolitz (1,80 Meter groß) magerte auf 58 kilo ab, Muskeln verkümmerten. „Ich lag praktisch ein Jahr lang nur auf der Couch.“

Der Familienvater verklagt nun den Pathologen auf Entschädigung. „Der Eingriff war überflüssig“, sagt er. Meine Anatomie ist nicht mehr normal. Ich habe überall Vernarbungen, muss mein Leben lang Enzyme schlucken, da ich keine Fette mehr verdauen kann.“

Sabrina Diehl (39), Fachanwältin für Medizinrecht, reichte jetzt Klage ein.

„Der Befund war nicht ausreichend gesichert. Es war grob fehlerhaft, es war grob fehlerhaft ihn so an den zuständigen Arzt weiterzugeben, der daraufhin die OP-Indikation stellte“. Nun geht es um mindestens 150.000 Euro Schmerzensgeld. Bolitz: „Ich habe zwar noch mein Leben, aber mir wurde wegen eines Diagnosefehlers Lebensqualität genommen.“

Der Pathologe wollte sich mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht äußern.


 Nordwest Zeitung vom 06.11.2020 Der lange Weg zurueck ins Leben Vechta Patienten Behandlungsfehler Loch Spaetfolgen Herne Oberhausen 2013 Medizinrecht Sabrina Diehl Patientenanwaeltin

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Quelle:Nordwest-Zeitung - 06.11.2020 - Ellen Kranz

 

Patientin aus Vechta überlebte schwere Sepsis – und leidet unter den zahlreichen Spätfolgen

 

Vechta - Inga Eckert ist dem Tod gleich mehrfach von der Schippe gesprungen, überlebte unter anderem eine schwere Sepsis. Zahlreiche Operationen liegen hinter der 47-jährigen Vechtaerin, die ihr Leben lang mit den Spätfolgen zu kämpfen haben wird. Nun will sie auf ihren Fall aufmerksam machen.

 

Die Erkrankung
Alles beginnt im Jahr 2013. Inga Eckert ist damals gerade 40 Jahre alt geworden, hat groß gefeiert. Eine Woche später beginnen die Halsschmerzen. Da ihre Hausärztin nicht in der Praxis ist, geht die gelernte Bürokauffrau zu einem fremden Arzt. Dieser diagnostiziert eine vereiterte Mandelentzündung, verschreibt ihr Antibiotika. Als die Symptome vier Tage später nicht besser werden, besucht Inga Eckert an einem Donnerstag ihre Hausärztin. Diese stellte die Diagnose Pfeiffersche Drüsenfieber, ändert die Medikamentengabe hin zu Schmerzmitteln und nimmt ihr Blut ab, um die Entzündungswerte zu überprüfen. Die Ärztin habe ihr gesagt, sie solle am Montag wiederkommen, wenn die Symptome nicht besser werden, sagt Inga Eckert. Die Ergebnisse der Blutuntersuchung seien der Praxis am Freitagnachmittag übermittelt worden, hätten einen extrem hohen Entzündungswert angezeigt – doch die Ärztin habe sich nicht mehr gemeldet, sagt sie. Ihr Zustand verschlechterte sich weiter. Am Montag erscheint Inga Eckert wieder in der Praxis. Nun weist die Ärztin sie in die Klinik in Vechta ein.

 

Im Krankenhaus
Im Marienhospital angekommen, wird der Patientin sofort Blut abgenommen, und sie wird auf einer Station aufgenommen. Schnell kommt der Verdacht einer Sepsis auf. „Mir ging es beschissen, ich war total neben der Spur“, erinnert Inga Eckert sich. Schon am Nachmittag folgt die Verlegung auf die Intensivstation. Ein Katheter wird gelegt, und da der Hals immer weiter anschwillt, wollen die Ärzte intubieren. Dabei kollabiert Inga Eckert, fällt ins Koma – und kommt erst Wochen später wieder zu sich.

 

Der Kampf ums Leben
Später erfährt Inga Eckert, dass sie einen Tag nach ihrer Einlieferung ins Krankenhaus in Vechta fünf Stunden notoperiert und per Hubschrauber ins Universitätsklinikum Münster, kurz UKM, verlegt wurde. „Die Ärzte haben wirklich um mein Leben gekämpft.“ Die Diagnose: Sepsis, septischer Schock, ein beginnendes multiples Organversagen mit Wasser in der Lunge sowie eine durch Bakterien ausgelöste, großflächig verlaufende Infektion der Unterhaut und Faszien, bei der das Unterfettgewebe vergammelt und schwarz wird (nekrotisierende Fasziitis). „Ich war eigentlich eher tot als lebendig – an allen vier Krankheiten hätte ich sterben können.“ Am rechten Oberschenkel und im Bauchbereich entnehmen die Ärzte Teile der Haut, um offene Stellen zu bedecken.

 

Das Erwachen
Anfang Dezember 2013 erwacht Inga Eckert aus dem Koma. Sie kann weder sprechen, noch sich bewegen. Erst Anfang März 2014 wird sie aus dem UKM entlassen. „Ich musste mich buchstäblich ins Leben zurückkämpfen, ich war nur noch ein Bündelchen, hatte nichts unter Kontrolle.“ Mittlerweile hat Inga Eckert 26 Operationen hinter sich – davon vier Hauttransplantation. Ein großes Problem ist ihr Hals, genauer die Luftröhre.

 

Das Loch im Hals
Weil sich die Keime während der Sepsis zunächst ungehindert ausbreiten, entfernten die Ärzte zwei Zentimeter der Luftröhre. Immer wieder wird in der Folge und mit unterschiedlichen Ansätzen versucht, das Loch zu schließen. Einen letzten Versuch unternehmen Ärzte in der Fachklinik Hornheide in Münster im Juni 2018. Sie versuchen, die Innen- und Außenseite des Lochs zu vernähen. Doch erneut entzündet sich die Wunde, auf das Antibiotikum reagiert Inga Eckert allergisch. „Ich habe dann mit der HNO-Ärztin meines Vertrauens gesprochen und beschlossen, dass die kleine Öffnung, die jetzt noch da ist, bleibt. Ich habe die Schnauze voll“.

 

Die Spätfolgen
Denn neben den vielen Operationen leidet Inga Eckert unter den Spätfolgen der Sepsis. Sie zählt auf: extreme Höhenangst, Wortfindungsstörungen, Konzentrationsschwächen, ein schwaches Gedächtnis, Flashbacks, Schluckprobleme, Schlafstörungen, Wetterfühligkeit, Angstzustände, Gleichgewichts-probleme, Schreckhaftigkeit und Angst vor Menschenansammlungen. Hinzu kommen ein steifer linker Daumen und eine in der Bewegung eingeschränkte rechte Schulter. Trotz allem: „Ich habe meinen Lebensmut nicht verloren“, sagt Inga Eckert, es klingt fast trotzig. „Natürlich habe auch ich Tage, an denen ich nicht mehr kann – aber was hilft es, den Kopf in den Sand zu stecken?“

 

So geht es weiter: Der Fall kommt nun vor Gericht
Vechta – Inga Eckert aus Vechta hat vor sieben Jahren eine schwere Sepsis überlebt. Ihr Leben lang wird die heute 47-jährige mit den Spätfolgen zu kämpfen haben. Sie wirft ihrer damaligen Ärztin vor, falsch reagiert zu haben. Bereits im Krankenhaus habe sie darüber nachgedacht, gegen ihre damalige Hausärztin vorzugehen, erzählt Inga Eckert. „Ich habe damals in den Spiegel gesehen und gedacht, dass das vermeidbar gewesen wäre. Aber ich wusste auch, dass der Weg steinig wird“, sagt sie. „Das kann man so nicht stehen lassen“, fasst sie einen Entschluss. Die Ärztin habe eine falsche Diagnose gestellt, sagt ihre Anwältin, Sabrina Diehl. Die hohen Entzündungswerte hätten spätestens am Freitag zu einer Einlieferung ins Krankenhaus führen müssen. „Wir werfen der Ärztin vor, dass sie auf die Anzeichen der Entzündung nicht richtig reagiert hat und die zwingend gebotene Behandlung der Ursache verschleppt wurde.“ sagt die Fachanwältin für Medizinrecht und Inga Eckert ergänzt: „Ich würde mir einfach eine Entschuldigung wünschen - da ist bisher nichts gekommen.“

 

Auf Nachfrage unserer Redaktion bei ihrer ehemaligen Ärztin äußerte sich diese zu den Vorwürfen unter Berufung auf das laufende Verfahren mit „kein Kommentar“. An diesem Freitag startet die Gerichtsverhandlung vor dem Landgericht Oldenburg.

 

 


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